Gesangsstunde
zärtlich mein Gesang
am Saum der Nacht
in ihren Händen
schwingt glasierter Ton
es stimmen sich
so warm und sanft
im Spielraum
Klangkörper
frei aufeinander
ein
(©IW, 2020)
Junimund
Das Wortreich liegt dir
prismenbunt im Junimund
wo scharf Geschliffenes
verführt wie edle Steine.
Sein Funkellicht
verblendet mir die Sicht
auf das was
du mir
niemals sagen wirst.
(©IW, 2019)
handverlesen
Als die Nacht sich verläuft
in den Schluchten der Stadt
verrennen wir uns
miteinander
dein Atem geht schneller
als ich.
Handverlesen dein Flackern
im Schein einer Kerze
und dort wo das Wachs
sich auf Zögern ergießt
beschriftet es warm
Unbeschriebenes
Blatt
für
Blatt
wendet es sich
dir zu.
(©IW, 2019)
zwei Leben
Fünfzig Jahre mindestens,
zwei Leben folgten ihren Windungen
aneinander vorbei,
ohne sich daran zu stören;
Zufall ist ein wundersamer Kuppler.
Unmerklich verloren
meine Tage und Nächte
Anfang und Ende
alles geriet ins Strömen
mein Körper auch.
Schließlich wurden meine Tränen zu Perlen
auf deiner Haut,
die ich nie berührte -
in Gedanken
endlos.
(©IW, 2017)
Island
dein Vulkan züngelt
verstohlen
an ihrem Permafrost
Ent-gl-eisung
jenseits allen Klimawandels
Berg-Rücken gleiten
talabwärts
unaufhaltsam
hinein
in deinen lodernden Krater
(©IW, 2017)
ungezähmt
Gedanken ranken
aus Fingerspitzen
an dir empor
lichtwärts
ungezähmt
verzweigt
wie wildes Efeu
fiebrige Blätter
beflüstern deinen Hals
begrünen blickdicht Zwischenräume
wagst nicht dich zu rühren
spürst lieber ganz leise
die blütentrunkenen Bienen
zärtlich kitzelt ihr Schwänzeltanz
Achten in deinen Bauch
wir lächeln als Einladung
die Stille zu füllen
mit uns
(©IW, 2017)
Sheela
Pflücke mündig
zwei glänzende Kastanien
aus ihrem Gesicht,
röste sie behutsam in meiner Glut,
bis sie zart auf der Zunge zergehen.
Kastanienbraun auch
verwickelt mich ihr Haar
ins Zwiegespräch;
knüpfe kunstvoll daraus ein Netz,
lasse mich frei und willig
darin gefangen
nehmen.
Gebe mich,
wohl wissend:
sie bürstet mich niemals
gegen den Strich.
(©IW, 2017)
Vertrauen
Sie wusste nicht mehr, wann genau es geschehen war.
Seit Jahren gingen sie zusammen aus. Abends.
Einfach so. Nicht oft. Ab und zu.
Um über alles zu sprechen, was bewegte.
Unverbindlich. Es hätte immer so weiter gehen können.
Als Vertrauen immer vertrauter wurde,
traute sie sich, sich anzuvertrauen.
Sie atmeten in die raumgreifende Stille.
Nichts.
Dann.
Doch.
Die Hand der anderen auf ihrer, zielsichere Führung,
unter den befreundeten Rock.
Seltsam, eigentlich trug sie doch sonst immer Hosen.
Und nicht nur in ihren Köpfen brachen sich Wellen.....Bahn.
(©IW, 2017)
Gehrock
Hole mir Blasen auf meinem Fußmarsch
durch deine hügelige Gegend.
Hinter jeder Biegung ein trockenes Nein,
durstige Umkehr statt Labsal;
keine Quelle entspringt mir
deinen Labien, 'bien'
fühlt sich anders an.
Was ist so schlecht
an meinem Geschlecht?
Ließe es sich wechseln wie ein Gehrock,
ich würde - für ein Ja von dir.
(©IW, 2017)
Weinprobe
Konzentriert nippt sie an meinen Augen,
als ich ihr reinen Wein einschenke;
eine Steillage vom anderen Ufer.
Als Gourmet findet sie ihn vollmundig,
als Busenfreundin versteht sie unter 'Weinkörper'
etwas anderes als ich.
Ihren werde ich wohl niemals kosten dürfen.
(©IW, 2017)
Treibjagd
Ausgiebig grasen wir
umeinander haarscharf
erfasse ich deinen
schwächsten Punkt
reize ihn
Genuss voll aus
treibe dich in die Enge
vor mir her
bis zum letzten Biss.
Deine Wunden nun offen
zu lecken bittest du mich
um Heilung und
gibst dich sichtlich
gern geschlagen
meiner Gier.
(©IW, 2018)
Kadenz. Vierhändig.
magnetisches
Anziehen wird Ausziehen
nicht zwangsläufig doch
von Mal zu Mal
geläufiger ausgezogen
sind sie erst recht
angezogen
ein Teufelskreis oder
spielen hier Engel
beflügelt Vierhändiges
pianoforte
Vorhaltsakkord
Dominante
Tonika
(©IW, 2018)
musikalisch
„Deine Lippen inspirieren mich musikalisch“,
flüsterte sie ihr zärtlich ins Ohr.
Errötend: „Oh, welche denn?
Ich habe drei Paar zur Auswahl,
in verschiedenen (Ton-)Lagen.“
Sie daraufhin mutiger:
„Lass uns ein Sextett anstimmen,
ich hab' schon lang nicht mehr gesungen.“
(©IW, 2017)
mitgeteilt
Zwei Brüste
flehen mir entgegen
deine Mitte zu teilen
um eins zu sein -
„endlich“.
(©IW, 2017)
viel zu wenig
Sie hat immer so viele Gedanken im Kopf.
Ich wünschte, ich wäre einer davon.
Stattdessen fragt sie sich bloß,
ob ihr mein Kleid wohl stehen würde,
und mich,
wo sie es kaufen kann.
Sie hat immer so viele Gedanken im Kopf.
Manchmal ist viel zu wenig.
(©IW, 2017)